Entsendung von ErsthelferInnen bei außerklinischen Herzstillständen dringend empfohlen

Puls ist Teil der europäischen Forschungsgruppe „Citizen First Responders“. In einem Brief an den Herausgeber der medizinischen Fachzeitschrift Resuscitation wurde die Ausweitung von First Responder-Projekten gefordert.

Forschungshintergrund:
First Responder sind eine Ergänzung zum herkömmlichen Regel-Rettungsdienst, die entsendet werden, wenn sie sich in unmittelbarer Nähe von PatientInnen mit einem präklinischen Herzstillstand befinden. Dabei kann es sich um Laien-ErsthelferInnen oder um „professionelle ErsthelferInnen“ wie zum Beispiel  PolizeibeamtInnen  und Feuerwehrleute im Dienst handeln.

In mehreren Regionen insbesondere in den Vereinigten Staaten von Amerika werden gegenwärtig Laien- ErsthelferInnen nur zu Herzstillständen an öffentlichen Orten entsendet. Es wird vermutet, dass dies einerseits wahrscheinlich dem Schutz der ErsthelferInnen, PatientInnen und ihrer Angehörigen dienen soll, andererseits wird dadurch aber der Mehrheit der Opfer eines Herzstillstands systematische und effektive lebensrettende Ersthilfe verwehrt.

Es gibt drei Hauptgründe, warum ErsthelferInnen bei Herzstillständen auch an privaten Orten tätig werden sollten:

  • ungefähr 70 % aller Herzstillstände ereignen sich an privaten Orten,
  • Herzstillstände, die sich an privaten Orten ereignen, sind im Vergleich zu Herzstillständen an öffentlichen Orten mit einer geringeren Überlebensrate verbunden,
  • in Wohngebieten gibt es weniger Laien-Defibrillatoren als an öffentlichen Orten, wobei  ErsthelferInnen Laien-Defibrillatoren mitbringen und so auch schneller einsetzen könnten.

Die Sicherheit von ErsthelferInnen, PatientInnen und ihren Angehörigen ist von größter Bedeutung. Laien-ErsthelferInnen müssen sich daher unbedingt darüber im Klaren sein, dass die Übernahme eines Einsatzes immer auf Freiwilligkeit basiert.

Methode:
Es wurden retrospektiv fast 17.000 Einsätze in vier europäischen Ländern über einen Zeitraum von sechs Jahren ausgewertet. Die Mehrheit der ErsthelferInnen wurde zu privaten Orten entsandt (63  bis 82,8 %).

Ergebnisse:
Tabelle 1 zeigt die Zahl der gemeldeten Zwischenfälle im Verhältnis zur Zahl der Einsätze, an denen mindestens ein/e ErsthelferIn teilgenommen hat. Wir wissen jedoch nicht, wie oft LaienersthelferInnen einen Einsatz aus Sicherheitsgründen abgelehnt haben. Die meisten Systeme erlauben es den Freiwilligen, einen Einsatz jederzeit und ohne Angabe von Gründen abzulehnen oder abzubrechen.

RegionNumber of missions attended by at least one first responderNumber of reported adverse incidents
Austria, Vienna3612 *
Germany, Freiburg1 4360
Germany, Vorpommern-Greifswald1951 **
Sweden, Heartrunner System12 824<50
Switzerland, Basel and Baselland3110
Switzerland, Geneva2150
Switzerland, Ticino6590
Switzerland, Valais> 4500
Switzerland, Vaud5311*
Tabelle 1: Anzahl der gemeldeten Zwischenfälle (Gewalt, Diebstahl oder Bedrohung von ErsthelferInnen, PatientInnen oder Angehörigen) im Verhältnis zur Anzahl der besuchten ErsthelferInneneinsätze.
*Herzstillstand durch Selbstmord: Waffe an privatem Ort; ErsthelferInnen fühlten sich in ihrer Sicherheit nicht beeinträchtigt.
**Herzstillstand aufgrund von Drogenmissbrauch: Spritzen an einem privaten Ort; die ErsthelferInnen fühlten sich in ihrer Sicherheit nicht beeinträchtigt.

In allen Systemen, die in diese Analyse einbezogen wurden, werden die Laien-ErsthelferInnen systematisch nicht zu Notfällen entsandt, bei denen der Verdacht auf Verbrechen, Waffen, Gewalt, Feuer, Verkehrsunfälle oder andere potenziell gefährliche Situationen besteht. Es wird außerdem empfohlen, eine ständige Verbindung zwischen der Notrufzentrale und den Laien-ErsthelferInnen herzustellen, um den Einsatz jederzeit abbrechen zu können, wenn sich die Situation unerwartet als gefährlich erweist. Um die Sicherheit von PatientInnen und Angehörigen zu erhöhen, informiert die Leitstelle die Anrufenden über die sich nähernden ErsthelferInnen.

Etwa 70 % der befragten KanadierInnen und AmerikanerInnen gaben an, dass sie sich (sehr) wohl fühlen würden, wenn sie im privaten Umfeld einen Herzstillstand erleiden und ErsthelferInnen zu ihnen geschickt werden.

Um die Sicherheit von PatientInnen und Angehörigen zu erhöhen, verlangen die meisten Systeme von ihren ErsthelferInnen, dass sie sich mit Namen, Adresse und Qualifikation registrieren. Einige Systeme forden die Teilnahme an einer persönlichen Schulung.

Fazit:
Die Erfahrungen, die in vier verschiedenen europäischen Ländern über einen Zeitraum von sechs Jahren gesammelt wurden, legen nahe, dass die potenziellen Risiken des Einsatzes von Laien-ErsthelferInnen an privaten Orten beherrschbar sind, wenn Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden.

Zitation: Elsevier B.V. | First published: 30 September 2021 | https://doi.org/10.1016/j.resuscitation.2021.09.026

AutorInnen: Camilla Metelmann | Bibiana Metelmann | Lukas Herzberg | Angelo Auricchio | Enrico Baldi | Claudio Benvenuti | Roman Burkart | David Fredman | Mario Krammel | Michael P. Müller | Tommaso Scquizzato | Remy Stieglis | Leif Svensson | Karl Christian Thies